Comes cordis

Lagotto Romagnolo Zuchtstätte

Informationen zur Juvenilen Epilepsie beim Lagotto Romagnolo
von: Ute Ruoff, Lagotto Romagnolo „Comes cordis"

In den vergangenen Jahren der Lagotto Zucht kam es immer wieder einmal vor, dass Welpen ca. ab der 5. Lebenswoche an Krampfanfällen litten. Diese Anfälle konnten unterschiedlichster Ausprägung sein (von einem leichten Zittern, der Unfähigkeit zu Laufen, oder auch ein torkelnder Gang- hielten für ein paar Minuten an, danach waren die Welpen völlig normal. Diese Auffälligkeiten kehrten aber immer wieder, bei manchen Hunden sehr häufig, bei anderen nur ein oder zweimal) und es wurden verschiedenste Vermutungen angestellt, was nun die Ursache dafür sein könnte. Die Vermutungen waren sehr unterschiedlich und auch die Diagnosen verschiedenster Tierärzte, welche diese Welpen untersuchten. Neurolepsie, Ataxie, Epilepsie bis hin zu Streptokokken im Magen, oder auch nach der Entwurmung auftretende Vergiftung durch Wurmtoxine- es konnte alles Mögliche sein und ist auch bis heute nicht als falsch anzusehen.
Es war allerdings sehr auffällig, dass bei den meisten dieser Welpen diese Auffälligkeiten um die 12. Lebenswoche herum verschwanden und auch nicht mehr wieder kamen.
Es wurde zuerst in der Schweiz geforscht. Die Universität Bern arbeitete eng mit einem Forschungsinstitut in Finnland zusammen und es wurde das Blut (DNA/Genanalyse) auffälliger Welpen und wenn möglich auch deren Elterntieren untersucht. Die Vermutung, dass es sich um eine erbliche Form der Epilepsie handelte lag sehr nahe. Auch beim Menschen gibt es Formen von Epilepsie die nur im jugendlichen (juvenilen) Alter auftreten. Beim Menschen ist ein einziges mutiertes Gen dafür verantwortlich. Die hier bereits vorliegenden Forschungsergebnisse zog man nun auch für die Untersuchungen bei unseren Lagotti heran und testete weiter und erhob erste Statistiken. Schneller als erwartet erhärtete sich der Verdacht, dass es sich bei den Lagotto Romagnolo Welpen, welche die Krampfanfälle nur zwischen der ca. 5. und 12. Lebenswoche zeigten, um die sog. „Juvenile Epilepsie" (im Folgenden mit J.E. abgekürzt) handelte.
Ende 2007 hieß es, dass wenn das mutierte Gen gefunden werden könnte es möglich wäre mit einem Blut- bzw. Speicheltest festzustellen, welcher Hund an J.E. erkrankt ist, welcher lediglich Anlageträger ist, oder eben gar keine Anlage trägt, also frei von J.E. ist. Man sagte aber gleich dazu, dass dies wahrscheinlich noch Jahre dauern würde. Soweit mir bekannt ist waren es die Finnen die diese Stecknadel im Hauhaufen gefunden haben und das auch noch viel schneller als vermutet! So wurde von einem Institut in Helsinki ( HT Diagnostics bzw. Canigen, heute Genoscoper) seit dem Sommer 2008 ein Blut- bzw. Speicheltest angeboten. Erste Züchter ließen ihre Zuchttiere untersuchen. An den Ergebnissen konnte man ganz klar ablesen, dass dieser Test wohl wirklich richtige Ergebnisse zu Tage förderte.
Hatte es in beschriebener Art und Weise auffällige Welpen gegeben, waren immer beide Elterntiere mindestens Anlageträger, oder sogar erkrankt gewesen.
Nun kamen aber auch die ersten Fragen auf, wenn ein Zuchttier als erkrankt getestet worden war: Warum hatte der Züchter xy einem diesen kranken Hund verkauft und nicht darauf hingewiesen, dass er Krampfanfälle gehabt hat?! Darauf gibt es folgende Antwort: Auch beim Menschen gibt es sehr unterschiedliche Ausprägungen der Symptome der Juvenilen Epilepsie. Die stärkste Ausprägung ist der Krampfanfall, ganz schwache Symptome können sich z. B. durch ein etwas häufigeres „mit der Zunge über die Lippen fahren" zeigen. So unterschiedlich kann auch die Ausprägung der Symptomatik beim Lagotto-Welpen sein und somit ist es absolut möglich in einem Wurf „erkrankte" Welpen gehabt zu haben ohne es wahrnehmen zu können.
Durch diesen Test haben die Züchter nun ein 100% sicheres selektives Mittel zur Hand (Anmerkung: Wenn ich hier 100% schreibe trifft das auf die Sicherheit der ausgewerteten Tests zu bei dem kein „menschliches Versagen" in Form von z.B. verunreinigten, vertauschten, überlagerten etc. Tests im Spiel war). Das ist ein großes Geschenk an die Züchter, denn so kann bei getesteten Elterntieren sicher vermieden werden J.E.-kranke Welpen zu züchten.
Wie und warum funktioniert das?
In jeder Zelle befindet sich ein Zellkern. In jedem Zellkern liegen –gut verpackt in Eiweißhüllen- die Erbanlagen oder Gene. Sie sind innerhalb der Eiweißhüllen zu langen, gewundenen Doppelketten aufgereiht. Jede Doppelkette mit ihrer Eiweißhülle nennt man „Chromosom". Die Chromosomen sind also die Träger der Erbanlagen, die sowohl die Lebensvorgänge im Körper als auch die spezifischen Merkmale einer Rasse bei der Fortpflanzung auf ihre Nachkommen übertragen. Im Inneren der Chromosomen befinden sich die Gene, welche unter Anderem für die Ausprägung der äußerlichen Merkmale, aber auch für einen funktionsgerechten Stoffwechsel, den Organaufbau und vieles mehr verantwortlich sind.
Man geht bei der J.E, davon aus, dass
ein mutiertes Gen für das Auftreten der Krankheit verantwortlich ist.
In allen Körperzellen kommen - mit Ausnahme der Geschlechtschromosomen – stets zwei gleiche Chromosomen vor, die am gleichen Platz jeweils ein Gen für das gleiche Merkmal besitzen. Eines dieser Chromosomen stammt von der Mutter, eines vom Vater. Sind beide Genanlagen, die auch
>>Allele<< genannt werden, für das entsprechende Merkmal (hier z.B. für J.E.) gleich, dann spricht man von >>Reinerbigkeit<<, >>Gleicherbigkeit<< oder >>Homozygotie<< bezüglich dieses Merkmals. Ist das Gen für J.E. bei einem Elterntier vorhanden und beim anderen nicht, sind die Nachkommen >>Spalterbigkeit<<, >>Mischerbigkeit<< oder >>Heterozygot<<.
Der Einfachheit halber nennen wir einen
- einen reinerbigen Hund - krank – und kennzeichnen das mit: (+/+)
+/+ Hunde können in ihrer Welpenzeit Symptome (z.B. Krampfanfälle) zeigen.
- einen mischerbigen Hund als – Träger – und kennzeichnen das mit: (+/-)
+/- Hunde haben niemals Symptome gezeigt und werden auch nie welche zeigen, können lediglich die Anlage von J.E. an ca. 50% ihrer Nachkommen weitergeben.
- Anlage freien Hund als – frei – und kennzeichnen das mit: (-/-)
-/- Hunde sind frei von J.E. können somit niemals Symptome zeigen.
Bei der Entstehung neuen Lebens, während der Meiose, werden die doppelt vorhandenen Chromosomen getrennt und in jeweils eine Keimzelle transportiert. Jede Keimzelle hat also
nur eines der beiden ursprünglich doppelt vorhandenen Chromosomen der Elterntiere.
Somit ergeben sich bei der Verpaarung in Hinsicht auf die J.E sechs Kombinationsmöglichkeiten:
Beide Elterntiere krank (+/+ mit +/+)
es kann nur „+" weitergegeben werden, somit sind 100% der Nachkommen J.E. krank (+/+) und können Symptome zeigen
Beide Elterntiere frei (-/- mit -/-)
es kann nur - weitergegeben werden, somit sind 100% der Nachkommen frei von J.E. (-/-), und sind natürlich symptomfrei
Ein Elternteil krank und ein Elternteil frei (+/+ mit -/-)
es wird immer ein + und ein – weitergegeben, somit sind 100% der Nachkommen Träger (+/-), d.h. sie werden niemals erkranken, zeigen keine Symptome, können aber die Anlage vererben.
Ein Elternteil frei (-/-) und ein Elternteil Träger (+/-)
es können sich zwei – verbinden und freie Nachkommen (-/-) entstehen, sowohl
ein – sich mit einem + verbinden und Träger (+/-) Nachkommen entstehen.
(auf 100 Nachkommen hochgerechnet ca. 50% Träger und 50% Freie)
Beide Elternteile Träger, also (+/-) mit (+/-)
+ verbindet sich mit + = (+/+) krank
- verbindet sich mit - = (-/-) frei
+ verbindet sich mit - = (+/-) Träger
(auf 100 Nachkommen, ca. 25% krank, 25% frei, 50% Träger)
Ein Elternteil krank (+/+) ein Elternteil (+/-)
+ verbindet sich mit + = (+/+) krank
+ verbindet sich mit - = (+/-) Träger
(auf 100 Nachkommen gerechnet, ca. 50% krank und 50% Träger)
Fazit
Lagotto Romagnolo Züchter, welche Mitglied im 1. Lagotto Romagnolo Club Deutschland sind, haben deshalb kürzlich beschlossen, nur noch freie (-/-) Elterntiere miteinander zu verpaaren oder freie(-/-) mit Trägern(+/-).
Verpaarungen bei denen kranke Welpen entstehen, werden somit gänzlich vermieden.
Obwohl auch bei der Verpaarung (+/+) mit (-/-) Elterntieren keine kranken, sondern nur Träger Nachkommen zu erwarten sind, werden auch diese Verpaarung nicht mehr vorgenommen, da im deutschem Tierschutzgesetz verankert ist, dass mit „kranken" Tieren nicht gezüchtet werden darf.
Warum wird überhaupt noch mit Hunden gezüchtet die Anlagen-Träger sind?
Nach ersten statistischen Erhebungen geht man davon aus, dass nicht zuletzt durch den sowieso schon recht engen Genpool beim Lagotto Romagnolo die J.E. bzw. deren Anlagen eine sehr große Verbreitung in der Rasse hat. Sollten also nur ca. 30% - 40% der gesamten
Lagotto Population J.E. frei (-/-) sein und man von denen auch nur diejenigen verwenden, welche die anderen Zuchtauflagen in Hinsicht auf HD, Patella, Katarakt, Zahnfehler etc. erfüllen, bliebe nur eine sehr kleine zuchttaugliche Gruppe übrig.
Durch die damit unvermeidbare verstärkte Inzucht, hätte man in kürzester Zeit viel größere Probleme mit anderen, den Hund nachhaltig schädigenden Erbkrankheiten, welche leider nicht einfach „auszutesten" sind wie bei der J.E., sondern komplizierten multigenen Erbgängen unterworfen sind.
Um einen möglichst breit gefächerten Genpool zu erhalten oder sogar noch zu erweitern ist es notwendig -vorerst- die große Anzahl an zuchttauglichen Träger-Hunden in der Zucht zu belassen.
Meine persönliche Prognose als Züchter der Rasse Lagotto Romagnolo
Momentan ist ein „J.E-Hype" ausgebrochen und jeder Züchter lässt seine Zuchttiere testen, so auch ich. Aber es ist mit größter Vorsicht zu genießen, dass jetzt ein J.E-Träger schon nicht mehr als „guter Zuchthund" bezeichnet wird, sondern man ja lieber nur die „Freien" nimmt, schließlich kann man dann den Welpenkäufern ohne testen zu müssen bereits einen J.E.-freien Welpen anbieten.
Von Welpenkäufern die ganz klar mit der Absicht später mit dem Hund züchten zu wollen einen Welpen bei uns kaufen wollen, werde ich in letzter Zeit schon nach einem J.E.-freien Welpen gefragt. Dies ist verständlich, denn ein angehender Deckrüde, welcher J.E.-Träger ist wird schon nur noch ca. die Hälfte der potenziellen Hündinnen decken können (also nur die Freien). Und natürlich ist auch der Züchter und Hündinnen-Besitzer später in der Auswahl des Deckrüden beschränkt, wenn er eine Träger-Hündin hat.
Daraufhin haben wir jetzt erstmals zwei Würfe (insgesamt 16 Welpen) bereits im Alter von 5 Wochen per Bluttest auf ihre J.E.-Trägereigenschaft testen lassen, damit die Zuchtinteressierten wenigstens schon mal sicher seien können eine J.E.-freien Hund zu haben.
Da ich denke, dass immer mehr zuchtinteressierte Welpenkäufer in Zukunft so verfahren werden und damit der Anteil der J.E.-freien Zuchthunde ständig wächst, werden wir in einem Zeitraum von 8-10 Jahren wahrscheinlich gar nicht mehr von der J.E. reden müssen.
In 8-10 Jahren sind auch die J.E.-Träger-Zuchthunde die heute noch (
und bitte auch unbedingt weiterhin!) zur Zucht eingesetzt werden wieder aus der Zucht. Somit ergibt sich rein rechnerisch für mich, dass durch den vorhandenen Test das Problem J.E. eigentlich schon gelöst wurde.
Ute Ruoff, im Mai 2009

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